das wird ziemlich lang, ich habe beim Schreiben selbst erst gemerkt, dass ich mir da wohl einiges von der Seele schreiben muss. Danke schonmal an alle, die durchalten.

Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass für viele Menschen, vor allem aber für Frauen, die Frage danach, ob sie ein Kind oder Kinder möchten, ziemlich eindeutig entschieden zu sein scheint. Bei einer ziemlich großen Mehrheit lautet die Antwort: "Ja". Bei weit weniger Frauen lautet sie "Nein". Irgendwie kenne ich aber ziemlich wenige Frauen, die ganz klar sagen "Weiß nicht". Bei jüngeren Frauen mag es das noch eher geben, aber selbst da haben viele eine eindeutige Meinung.
Bei mir war das immer anders - schon als es mit Freundinnen während der Schulzeit ums Kinderkriegen ging. Da waren sich so ziemlich alle sicher, dass sie welche wollten, aber ich wusste das nie so genau. Das hat sich später, während dem Studium, erstmal nicht so groß verändert. Obwohl ich Kinder immer mochte. Aber mir war auch immer klar, dass Kinder mögen und selbst welche haben wollen nicht notwendig zusammenhängen muss.
Vor ein paar Jahren habe ich dann meinen jetzigen Freund kennengelernt. Er hat schon sehr früh deutlich gemacht, dass er Kinder möchte und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir auch direkt loslegen können. Für mich war klar, dass ich das auf keinen Fall sofort möchte. Trotzdem war aber in meinem Kopf das Bild angelegt: Er, Ich, eine Familie mit Kind oder Kindern. Und mit diesem Bild konnte ich mich gut anfreunden und bin irgendwie davon ausgegangen, dass zu diesem erstmal vagen Bild schon irgendwann ein konkreter Wunsch dazukommen wird. Trotzdem war ich immer noch niemand, der sagt: Kinder müssen auf jeden Fall sein. Wenn mein Freund an irgendeinem Punkt gesagt hätte, dass er doch keine Kinder mehr will, wäre das für mich denke ich ok gewesen.
Inzwischen sind fast sechs Jahre vergangen und es hat sich sehr viel getan. Meine Geschwister haben Kinder bekommen und im Freundeskreis geht es auch los. Früher hatte ich eher Kontakt zu schon etwas älteren Kindern, ab dem Grundschulalter. Durch die vielen Babys im Umfeld kann ich mir mittlerweile besser vorstellen, wie die erste Zeit mit einem Kind ablaufen kann. Gleichzeitig wird die Frage, wann mein Freund und ich Kinder bekommen, immer aktueller: Studium vorbei oder fast abgeschlossen, wir sind mit Freunden in ein großes Haus gezogen, eigentlich könnte es bald losgehen.
In den letzten Tagen war ich durch meine Familie wieder viel mit kleinen Kindern zusammen und das war auch sehr schön- Die Gefühle für die Kinder meiner Geschwister werden auch umso intensiver je häufiger ich sie sehe und je länger am Stück - sonst ist es oft nur ein Wochenende oder so, diesmal eine knappe Woche - ich sie regelmäßig sehe. Das hat emotional viel bei mir bewegt. Gleichzeitig bin ich auf den Thread hier im Forum gestoßen, in der die "Hardcore"-Verhüterinnen sich tummeln. Beim Lesen diese Threads habe ich gemerkt, dass ich es in den letzten Jahren - aufgrund des sehr eindeutigen Kinderwunsches meines Freundes - etwas verdrängt habe, dass die Frage ob ICH das, ganz unabhängig von ihm, möchte, eigentlich für mich immer noch unklar ist. Ich habe mich einfach irgendwie an den Gedanken gewöhnt Kinder zu haben, es mir auch ausgemalt, bin dabei Pläne zu machen, wann es losgehen könnte, aber mein Gefühl ist bisher noch nicht so richtig hinterher gekommen. Ich spürte diesen argen Wunsch nach einem Kind, den ich aus vielen Threads hier im Kinderwunsch-Bereich rauslese, nicht. Ich denke immernoch, dass ich mir auch ein Leben ohne (eigene) Kind(er) gut vorstellen kann.
Ich habe dann angefangen bewusst in mich reinzuhorchen, wie meine Gefühle dazu sind. Es ist nicht einfach Indifferenz, nach dem Motto: "Ist egal." Ich habe auf der einen Seite schon sehr positive Gefühle, wenn ich daran denke, schwanger zu sein oder einen Säugling zu haben. Es ist auch schon seit ein paar Jahren so, dass Momente, in denen ich mir Sorgen gemacht habe, ob mit der Verhütung alles hingehauen hat - Pille vergessen o.ä. - und dann vorsichtshalber einen Schwangerschaftstest gemacht habe - war vielleicht 3-4 Mal der Fall - ein bisschen gehofft habe, dass er positiv ist. Ein Teil von mir - vermutlich der vernünftige - war eher dagegen, aber gefühlsmäßig wars eben nicht so.
Auf der anderen Seite fühle ich bei dem Gedanken an eigene Kinder aber auch sowas wie Beengheit. So als wäre es fast schon zwangsläufig, dass ich Kinder kriegen MUSS, als wäre es nicht ganz meine eigene Entscheidung. Das liegt sicherlich zum Teil an meinem Freund. Ich habe aber den Eindruck, dass auch mein Umfeld eine große Rolle spielt. Fast alle meine Freunde und Menschen in meiner Familie haben schon Kinder oder planen sie fest ein. Es gehört irgendwie bei fast allen automatisch zur Lebensplanung dazu. Mir kommt es so vor als wüsste ich nicht genau, ob ich ein Kind will, weil ICH das will, oder weil es alle so machen. Zum engen Familien- und Freundskreis kommt dann noch die allgemein in der Gesellschaft herrschende Erwartungshaltung dazu. Frauen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden, werden immernoch oft genug schräg angeschaut, Muttersein ganz eng mit Frausein assoziiert usw...Ich fühle mich so, als könnte ich unter diesen Umständen gar nicht meinen Kopf frei genug kriegen um überhaupt zu wissen, was ich selbst will.
Zusätlich zu der Erwartung, DASS Frauen Mütter sein sollen, kommt dann noch die Erwartung, welche Art von Müttern sie sein sollen. Ich komme aus einem Dorf in Westdeutschland, katholisch geprägt, wo es einfach sehr normal war, dass die Mütter zu Hause bleiben, den Haushalt machen und die Kinder großziehen. Auch wenn sich das selbst dort inzwischen langsam ändert und auch, wenn ich lange genug von dort weg bin und durch mein Studium im Osten Deutschlands, in dem die die Frau, die Lohnarbeit nachgeht UND Kinder hat, viel selbstverständlicher ist und durch einen feminstischen Blick auf diese Themen WEIß, dass es so ganz sicher nicht zwangsläufig sein muss, sitzen diese Vorstellungen sehr, sehr tief. Mit allem was damit verbunden ist: die Mutter muss das Kind bedingungslos lieben, immer für es dasein, ist die Hauptverantwortliche, das Kind muss das allerwichtigste sein, andere Interessen, die Arbeit oder was sonst wichtig im Leben ist, müssen zurückgestellt werden. Dieses Mutterbild engt mich ein, wenn ich darüber nachdenke, ob ich selbst ein Kind möchte, egal wie sehr ich versuche, mir zu sagen, dass es so nicht notwendigerweise sein muss.
Diese Gedanken gingen mir also während den letzten Nächten zwischen dem Lesen von NFP-Literatur und Zykluskurven stalken durch den Kopf.

Das war jetzt eine sehr persönliche Schilderung, trotzdem würde mich auch ganz allgemein interessieren, wem es noch so geht, dass die Frage nach dem Kinderkriegen (noch?) keine eindeutigen Antwort hat. Egal ob aus ähnlichen Gründen wie meinen oder ganz anderen. Und an welcher Stelle ihr da in eurem Entscheidungsfindungsprozess gerade seid bzw. wie die Entscheidung bei denen lief, die sie für sich bereits getroffen haben.

Danke!
Ohne