myNFP

Liebe alle

Ich bin auf Arbeit mit einer Situation konfrontiert, die mir sehr zu schaffen macht. Vielleicht hat jemand einen Tipp oder einen Denkanstoss für mich.

Diesen Neid auf Schwangere kennen wohl viele Kinderwunschmädels. Ich bin bisher davon verschont worden. In meinem Umfeld sind viele schwanger oder haben Kinder bekommen. Alles kein Problem und ich freute mich jeweils sehr und besuche alle auch regelmässig. Wir versuchen seit einem Jahr schwanger zu werden und machen im März die erste IUI.

Was mir aber seit einigen Wochen echt zu schaffen macht, ist eine Situation auf Arbeit. Ich muss von März bis Juni eine Auszubildende betreuen. Sie ist 19 Jahre alt und schwanger. Ob gewollt oder nicht, weiss ich nicht, auf jeden Fall raucht sie fleissig weiter. Die nächsten fünf Monate wird sich meine Arbeit also hauptsächlich um sie drehen, ihr Wohlergehen und dass sie einen guten Abschluss machen kann. Mich belastet es extrem ihr in den nächsten Monaten zuschauen zu müssen, wie ihr Bauch wächst ohne zu wissen, ob es bei uns auch einmal soweit sein wird.

Leider will niemand anderes im Team die Aufgabe übernehmen (können schon, aber wollen, tut niemand). Und ich möchte natürlich auch nicht allen erzählen, warum mich das so bedrückt.

Wie soll ich damit umgehen? Mir ist klar, dass sich die Auszubildende ihre Situation vielleicht auch anders wünschen würde. Aber ja, so mit unerfülltem Kinderwunsch, schwindet mein Verständnis für "Verhütungspannen". Bin ich zu engstirnig und zu egoistisch?

Liebe Grüsse
somehoping

Hey,

ich habe zwar keinen akuten Kinderwunsch, aber einen latenten/zukünftigen und kann deswegen zumindest ein kleines bisschen nachfühlen, wie es dir gerade gehen könnte.

"Engstirnig und egoistisch", wie du schreibst, bist du nicht. Für Gefühle kann man nichts, und deine sind für mich auch absolut nachvollziehbar. Das Leben ist nun einmal nicht gefühlsneutral und objektiv.

Hat sich in den letzten Tagen etwas an deiner Situation geändert?

Ich drücke deinem/r Partner/in und dir ganz fest die Daumen, damit es mit der IUI, bzw. demnächst, auch bei euch mit der Schwangerschaft klappt.

Natürlich wäre der objektive Rat, zu versuchen, eine mentale Grenze zwischen dir und der Auszubildenden zu ziehen. Bist du neidisch auf sie, weil du dir ihr "Glück" wünschst? Bist du wütend (rational oder nicht), dass sie nicht dankbar für ihre Schwangerschaft zu sein scheint und (sogar) raucht, während du, verdammt noch mal (sorry), schon seit gefühlten Ewigkeiten dabei bist, wahrscheinlich sämtliche Internetseiten dazu durchforstet hast und besser vorbereitet bist als viele andere? Das ist völlig nachvollziehbar, menschlich und okay. Mir würde es wahrscheinlich ganz genauso wie dir gehen. Trotzdem ist es wichtig, dass du für dich versuchst, deine Gefühle von den Fakten zu trennen und quasi einen Realitätscheck durchzuführen. Diese Schwangerschaft hat an sich mit dir nichts zu tun. Es betrifft nur sie alleine, gewollt oder ungewollt, und sie ist nicht schwanger geworden, um dir eins auszuwischen. Ich hoffe, das kommt nicht falsch rüber: Ich kann deine Gefühle zu 100% nachvollziehen, mir tut es von Herzen leid, dass du in dieser Situation bist, und ich würde dich gerne erst einmal in den Arm nehmen. Trotzdem wollte ich das auch mal so hinschreiben. Mir hilft es manchmal, wenn andere Leute für mich einen Realitätscheck durchführen. Falls nicht: Es tut mir leid!

Trotzdem ist jetzt die Frage, was du mit der aktuellen Situation machst. Falls im März die IUI erfolgreich sein sollte, wäre natürlich alles schick: Du wärst dann ja auch schwanger. Aber falls die IUI nicht funktionieren sollte, hättest du ein Problem.

In meinen Augen hast du gerade folgende Optionen (wertfrei):
- Du suchst dir eine/n Kollegen/in aus, der/dem du am meisten vertraust, erzählst offen die Gründe, warum du diese Auszubildende nicht betreuen möchtest, und bittest um eine Übernahme der Betreuung, in der Hoffnung, dass die entsprechende Person das dann wirklich macht.
- Du sprichst unter vier Augen mit deinem/r Chef/in, legst die Gründe dar und bittest darum, dass diese/r offiziell einer anderen Person die Betreuung übergibt, mit oder ohne Angabe von Gründen.
- Du lässt dich für den Zeitraum krankschreiben.
- Du nimmst für den Zeitraum unbezahlten Urlaub.
- Du übernimmst die Betreuung wie vorgesehen und versuchst, deine Gefühle zu ignorieren, riskierst damit aber, bei einer nicht erfolgreichen IUI mit negativen Gefühlen gegenüber der Auszubildenden umgehen zu müssen.
- Du sprichst mit der Auszubildenden selbst, gestehst, dass du aufgrund persönlicher Umstände leider nicht in der Lage bist, sie objektiv zu betreuen, und bittest sie, selbst um eine/n andere/n Betreuer/in zu bitten, mit dem Risiko, dass dein/e Chef/in von dir wissen möchte, wo das Problem liegt.
Mehr fällt mir gerade auf die Schnelle nicht ein.

Wenn du die Betreuung tatsächlich übernimmst, würde ich die Auszubildende selbst heraushalten. Ich hatte überlegt, ob du sie auch direkt bitten könntest, sich dir gegenüber mit schwangerschaftsbezogenen Themen etc. zurückzuhalten, aber das wäre in meinen Augen nicht ganz fair ihr gegenüber. Es sei denn, sie spricht sehr viel mit dir über die Schwangerschaft und du möchtest das nicht, dann könntest du sie schon bitten, sich dir gegenüber etwas zurückzuhalten.

Es läuft in meinen Augen darauf hinaus: Entweder du nimmst die Betreuung an, versuchst dann aber, dich der Auszubildenden so objektiv und fair wie dir möglich zu verhalten. Oder, wenn du das nicht garantieren kannst und/oder es dir dabei zu schlecht gehen sollte, sorgst du dafür, dass jemand anderes sie betreut.

In jedem Fall solltest du das, glaube ich, noch mit jemandem aus deinem persönlichen Umfeld besprechen, auch für emotionalen Rückhalt. Es muss ja niemand sein, der mit deiner Arbeit zu tun hat. Und falls du zu dem Schluss kommst, die Betreuung zu übernehmen, solltest du dir evtl. für die Zeit ein emotionales Ventil suchen, wo du negative Gefühle loswerden kannst, die im Umgang mit der Auszubildenden aufkommen. Das kann eine Freundin sein, die du in der Zeit jede Woche triffst und bei der du Dampf und Trauer loswerden kannst, aber auch Laufen, Boxen, Tanzen, Schwimmen. Such dir etwas aus. Aber such dir etwas, bevor diese schwierige Zeit beginnt.

Ganz viel Glück dir, und fühl dich gedrückt!
Liebe Grüße
Evi

Liebe Evi

Vielen Dank für deine Antwort. Ich bin echt sprachlos, dass du dir für eine dir unbekannte Person so viel Zeit genommen hast und eine so liebe und ausführliche Antwort verfasst hast. Vielen herzlichen Dank dafür!

An meiner Situation hat sich bisher noch nichts verändert. Dein "Realitätscheck" hat mich aber schon zum Nachdenken gebracht im Sinne von "Worauf bin ich eigentlich genau neidisch"? Natürlich wurde sie wahrscheinlich mit einmal Sex direkt schwanger, aber alles andere wünscht mal wohl niemandem. So viel ich bisher mitbekommen habe, hat sie nämlich kein Umfeld, das sie unterstützt und ob sie ihre Ausbildung abschliessen kann, steht auch noch in den Sternen (Abschlussprüfung zwei Wochen vor ET). Das hat mir geholfen: Ich möchte zwar schwanger sein, aber um keinen Preis in ihrer Situation stecken. Und warum also auf sie neidisch sein, aber auf alle meine Freundinnen nicht?

Und die ganzen Optionen, die du genannt hast, kann ich mir ja noch offen halten, falls es mir dann im März, April,... doch nicht mehr gut gehen sollte mit der Situation.

Nochmals vielen herzlichen Dank, dass du dich auf meine Frage gemeldet hast.

Liebe Grüsse
somehoping

Hallo somehoping

Ich weiss nicht, ob sich deine Situation in der Zwischenzeit geändert hat, aber ich war irgendwie „erleichtert“ zu lesen, dass es anderen auch so geht…. Hab mich bisher nicht getraut, das auszusprechen, aber mir geht es seit Monaten so, wenn ich wieder von einer Schwangerschaft erfahre und mir denke, gefühlt sind „alle“ schwanger, bei „allen“ klappt es- was natürlich nicht stimmt, es gibt viele, bei denen es nicht so schnell oder gar nicht klappt. Ich versuche auch, mich daran zu erinnern, dass ich mit der konkreten Situation der anderen nicht tauschen will - ihr Leben, ihren Partner. Und, dass mir die andere ja nichts wegnimmt, dadurch, dass sie ein Kind bekommt. Aber ich verstehe dich gut. Ich werde zur Zeit unfairerweise relativ grummelig, wenn ich mit einer Schwangeren zu tun habe und bin glaube ich gemeinerweise irgendwie abwehrend. Aber ich versuche, mir zu sagen, dass es klappt, wann es klappen soll…. Bei uns ist es leider auch noch nicht so weit. Ich drücke dir die Daumen
Meli